Während sich in Deutschland langsam der Sommer durchsetzt, ist man nach den vergangenen heißen Monaten in Indien über den Anbruch der Regenzeit erleichtert. Auch in Odisha wurde das öffentliche Leben in Folge der Corona-Pandemie komplett heruntergefahren. Doch im Gegensatz zu den Großstädten Indiens sind die Infektionszahlen hier auf dem Land überschaubar. Durch die Selbstversorgung der Dörfer bleiben die Menschen weitgehend von dem allgemeinen Chaos verschont. Alle lebenswichtigen Produkte werden innerhalb der Gemeinschaften produziert, solange das Wetter mitspielt und das Virus draußen bleibt. Sollte es zu einer Infektion kommen, ist es fast unmöglich die Verbreitung innerhalb der eng besiedelten Dörfer aufzuhalten.
Besonders für die Kinder in Odisha bedeuten diese Zeiten aber Veränderung. Denn seit die indische Regierung Ende März den totalen Lockdown ausrief, sind auch hier die Schulen geschlossen. Ein ausgereiftes System für Online-Unterricht gibt es noch nicht, zudem steht längst nicht jeder Familie ein internetfähiges Gerät zur Verfügung. Doch in Anbetracht der Situation konnten nun erste Angebote bereitgestellt werden, um während des Ausnahmezustandes nicht mit den Lernplänen in Verzug zu geraten. Auch besuchen manche Lehrer die Dörfer, um vor Ort kleine Lerngruppen zu unterrichten. Doch den normalen Schulalltag mit täglichem Austausch und Betreuung kann das alles natürlich nicht ersetzen. Viele Schüler leben mit großen Familien unter einem Dach, ihnen steht kein Schreibtisch, geschweige denn ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Laut aktuellem Stand werden die Schulen wohl nicht vor August in den Regelbetrieb zurückkehren können.
Nachdem die Bauarbeiten an der neuen Mädchenschule durch die Ausgangssperre für gut zwei Monate zum Erliegen gekommen waren, tut sich jetzt wieder etwas auf dem Gelände. Zur Zeit wird an den Waschräumen der Mädchen gebaut. Doch Corona hemmt weiterhin den Fortschritt. Wegen der aktuellen Krise sind viele Spender vorsichtig. Die Unterstützung von außerhalb, von der die Ashram-Schule und die Weiterentwicklung des Projektes abhängig sind, stockt.
Die Pläne für das kommende Schuljahr müssen wohl an die aktuellen Bedingungen angepasst werden. An einen Einzug der Mädchen in die neue Schule diesen Sommer ist nicht zu denken und auch zu der Eröffnung einer neuen 6. Klasse wird es dieses Jahr wohl nicht kommen können. Es wird also vorerst bei 40 Schülerinnen bleiben müssen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Lage bald wieder entspannt und die Arbeiten vorangehen könne, um mehr Kindern eine Perspektive bieten zu können. Der Schulleiter Bhagaban Dev hat sich vorgenommen, jedes Jahr mindestens 40 neue Schülerinnen in die Schule aufzunehmen. Nach 10 Jahren sollen hier 400 Mädchen lernen und wohnen können. Ihnen soll die Aussicht auf eine erfüllte Zukunft geschaffen werden. Nicht nur durch klassischen Schulunterricht, sondern auch durch den Austausch mit Schülern und Lehrern, landwirtschaftliche Tätigkeiten, Yoga und Meditation.
Wenn die Mädchen erst einmal ihr neues Schulgelände beziehen können, wird auch der Ausbau der English-School des Ashrams weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Diese Schule bietet ein alternatives Lernangebot, indem moderner Unterricht mit den Lehren der Yogatradition kombiniert werden. Dieses Angebot richtet sich an Familien, die sich eine kleine Schulgebühr leisten können. So sollen die Einnahmen der English-School zukünftig den Unterhalt der kostenlosen Ashram-Schule für bedürftige Kinder unterstützen. Zur Zeit decken die Einahmen jedoch lediglich die laufenden Kosten der English-School selbst. Damit das Konzept funktioniert, müssen die Kapazitäten der English-School erweitert werden. Hierzu benötigt die Schule Unterstützung um ein weiteres Gebäude anzubauen.
Diese Zeiten stellen uns als Weltgemeinschaft vor eine gemeinsame Herausforderung und lassen uns auf eine außergewöhnliche Weise zusammenrücken. Ob in Deutschland oder in Indien: Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt und wünschen weiterhin viel Gesundheit!